Datenspenden ermöglicht neue Therapien

Eine gute Gesundheitsversorgung kommt von guter Forschung, ist Prof. Dr. Urs Frey überzeugt. Im Gespräch mit twice erklärt der Präsident der Swiss Personalized Health Network Initiative, wie ein digitalisiertes und vernetztes Gesundheitsdaten-Ökosystem Patientinnen und Patienten nützt. Lesen Sie nachfolgend das vollständige Interview, erstmals publiziert im «twice» Frühjahr 2022 der Handelskammer beider Basel.

Von Philippe Hofstetter

Vorbeugung, Diagnostik, Therapie und Prognose von Krankheiten verbessern – das macht datenbasierte Forschung möglich. Um mit harmonisierten und standardisierten Daten forschen zu können und die Präzisionsmedizin weiterzuentwickeln, baut die vom Bund finanzierte Swiss Personalized Health Network (SPHN) Initiative unter Leitung von Prof. Dr. Urs Frey gemeinsam mit Partnern aus Medizin, Naturwissenschaften und Data Science die notwendigen Forschungsinfrastrukturen auf.

«Ein besserer und rascherer Zugang zu hochwertigen, verknüpfbaren Daten führt zu Innovationen in der Forschung und letztlich zu einer qualitativ besseren Patientenversorgung», ist der ärztliche Direktor des Universitäts-Kinderspitals beider Basel und Ordinarius für Pädiatrie an der Universität Basel überzeugt. «Das Einbinden von Vergleichsdaten aus dem klinischen und dem persönlichen Alltag wie jene von Blutdrucküberwachungsgeräten oder Schrittzählern erlaubt es uns, Vorhersagemodelle zu optimieren und Informationen in Echtzeit zu analysieren. Wie notwendig diese Vernetzung ist, hat sich während der Pandemie gezeigt.»

INDIVIDUELLE BEHANDLUNG

Von besser vernetzten Daten profitieren vor allem Patientinnen und Patienten. Frey verweist auf das molekulare Tumorboard eines SPHN-Projektes: «Ein interdisziplinäres Team aus verschiedenen Spitälern diskutiert und analysiert regelmässig Einzelfälle von Krebspatientinnen und -patienten anhand von anonymisierten Daten aus klinischen Studien und DNA-Sequenzierungen. Dadurch können wir individuelle Therapien optimieren. Mehr Vergleichsdaten von Menschen mit ähnlichem molekularem Profil können das klinische Ergebnis künftig verbessern.» Dabei sei beispielsweise auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz zu prüfen. Jeder Mensch spricht anders auf Therapien an. «Grund dafür sind unter anderem Unterschiede im Stoffwechsel. Die moderne Medizin kann diese mit sogenannten Biomarkerprofilen erfassen und dadurch Therapien individueller gestalten», nennt Frey ein weiteres Beispiel. «Stellen Patientinnen und Patienten ihre Daten für solche Studien zu Verfügung, helfen sie mit, dass Menschen mit derselben Krankheit in Zukunft bessere Therapien erhalten.»

DATEN STATT BLUT SPENDEN?

Damit die Forschung Gesundheitsdaten nutzen kann, müssen Patientinnen und Patienten derzeit aktiv ihr Einverständnis geben. SPHN hat dazu beigetragen, dass diese Prozesse transparenter, harmonisierter und einfacher ablaufen können. «Andere Länder haben bereits eine öffentliche Diskussion geführt und einen Kulturwandel erlebt. Die skandinavischen Länder arbeiten beispielsweise mit einem Widerspruchsmodell und unterliegen aber gleichzeitig dem strengen europäischen Datenschutz. Man kann ein Gesundheitsdaten-Ökosystem also sicher und datenschutzkonform betreiben.» SPHN kann zu Sicherheit, Datenqualität und Interoperabilität von Daten beitragen. Ein Kulturwandel muss hingegen auf politischer Ebene erreicht werden, um international kompetitiv zu bleiben.

VERTRAUEN SCHAFFEN

Die Bevölkerung vertraue jedenfalls in die medizinische Forschung und die Gesundheitsversorgung, so Frey: «Die meisten Menschen teilen deshalb ihre anonymisierten Daten für die Forschung. Zusätzlich hilfreich wären bessere Informationen, eine einfache Möglichkeit, das Einverständnis elektronisch abzugeben, und eine deidentifizierte Patienten-Forschungsnummer.» Dazu müssten jetzt Regulatorien rasch angepasst werden. «Vorbehalte nehmen wir sehr ernst. Deshalb beziehen wir bei SPHN immer Patientenvertretungen in unsere Gremien ein. So erarbeiten wir gemeinsam Lösungen für die korrekte Datennutzung. Das schafft Vertrauen.» Die im Rahmen der Initiative aufgebauten Netzwerke mit Anbindung an universitäre Spitäler, Universitäten und analytische Zentren würden zudem die regulatorisch korrekte, datenschutzkonforme Bearbeitung von anonymisierten, standardisierten und technisch verknüpfbaren Daten gewährleisten.

SYSTEM AUFBAUEN

Eine datenunterstützte Medizin wird zu mehr Effizienz führen, ist Frey überzeugt: «Entscheidend ist aber, dass Hürden im Bereich der Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung systematisch behoben werden. Dazu braucht es gut funktionierende Systeme.» Föderale Strukturen im Gesundheitswesen erschweren durch unterschiedliche Regulierungen und technische Gegebenheiten das Zusammenführen von Daten, so Frey: «Nun geht es darum, rechtlich wie technisch klare, national harmonisierte Strategien und verbindliche Standards zu erarbeiten. Ein koordiniertes Vorgehen aller Mitwirkenden haben wir erfolgreich vorangetrieben und ein Vorschlag für eine langfristige Strategie zur Optimierung der klinischen und datengetriebenen Gesundheitsforschung war kürzlich in Vernehmlassung.» Ein digitalisiertes und vernetztes Gesundheitsdaten-Ökosystem kann nur funktionieren, wenn es von allen getragen wird und der Zugang und die Verarbeitung von Gesundheitsdaten auf fairen und transparenten Regeln beruhen, hält Frey fest: «Der Life Sciences Cluster Basel der Handelskammer beider Basel kann als einzigartiges Mikroökosystem mit weltführender Pharma, innovativen KMU und hervorragenden Hochschulen dabei einen wichtigen Beitrag leisten.»

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